2017: Wie Regionen sich mehr Gehör verschaffen könnten

Es ist höchste Zeit, dass den Regionen in Europa mehr Selbstbestimmung eingeräumt wird – zum Wohle der Bürger!

Wenn das Beispiel Katalonien Schule macht, werden andere folgen – und die EU in eine tiefe, tatsächlich existenzbedrohende Krise stürzen, meint Joschka Fischer in einem europaweit syndizierten Kommentar „Europa versus Regionalismus“ (u.a. auch im „Standard“ vom 4. 11.). Formal gesehen hat Fischer völlig recht: Die für operative Entscheidungen maßgeblichen Ratsformationen sind heute mit 28 Mitgliedern schon am Rande der Funktionsfähigkeit. Ein paar Mitgliedstaaten mehr – und der Kollaps ist da.

Anders jedoch, wenn man inhaltlich fragt: Wie können sich Regionen auf EU-Ebene mehr Gehör verschaffen? Akzeptiert man das Unumstößliche, dass Ratsformationen nur die Vertreter von Zentralregierungen zulassen, dann geht das auch nur über die Vertretung der Zentralregierungen; das wird im Idealfall die eigene sein. Es ist aber auch denkbar, dass sich Regionen von der Vertretung eines anderen Mitgliedstaats vertreten lassen.

So zum Beispiel, wenn größere EU-Mitgliedstaaten starke topografische und klimatische Unterschiede aufweisen, wie das bei Frankreich und Italien der Fall ist: Ihre hochalpinen Regionen haben ganz besondere Eigenheiten und Bedürfnisse, die oft im natürlichen Gegensatz zu den Interessen der Mehrheit im gesamten Staatsgebiet stehen. Ähnlich die Interessen von Inseln wie den Balearen, die von Malta wohl besser vertreten würden als von ihrer Festlandregierung.

Was die EU-Verträge besagen

EU-Regionen sollten daher wählen können, in welchem Ministerrat sie sich von welchem Mitgliedstaat vertreten lassen. Während eine solche Vertretung informeller Art unproblematisch sein sollte – immer das Einverständnis der jeweils involvierten Mitgliedstaaten vorausgesetzt – wird es schwierig, wo es um formelle Beschlussfassungen und die Gewichtung der Stimmrechte geht. Auf den ersten Blick erlauben die Europäischen Verträge hier keinen Spielraum, denn sie sprechen nur von der Möglichkeit, dass sich in den Ratsformationen Mitgliedstaaten durch andere Mitgliedstaaten vertreten lassen. So besagt Artikel 239 der Europäischen Verträge: „Jedes Mitglied kann sich das Stimmrecht höchstens eines anderen Mitglieds übertragen lassen.“

Kreative Interpretationen

Demokratie, Subsidiarität und Staatssouveränität als Grundprinzipien der EU sollten hier jedoch eine kreative Interpretation zulassen: Der Zweck dieser Vertragsbestimmung ist ganz offenkundig die Verhinderung eines exzessiven Hortens von Stimmrechten, wobei offenbleibt, ob es sich da um einen Mitgliedstaat mit gleichen, weniger oder mehr Stimmrechten handelt. Das kleinste EU-Mitglied kann also durchaus auch ein Mitglied mit den höchsten Stimmrechten vertreten.

Interessant ist das Wort höchstens in diesem Artikel: Es impliziert die Möglichkeit, weniger als ein ganzes Stimmrecht zu übertragen – und kann sinnvollerweise nur für Teile eines anderen Mitglieds gelten, wie es eben seine Regionen sind.

Also sollte man schon mit der aktuellen Rechtslage auf Regionen bezogene Teile des Stimmrechts eines Mitglieds einem anderen Mitglied übertragen können – bis hin zu einer Gesamtsumme übertragener Stimmrechte, wie sie die größten Mitglieder haben! Was die Gewichtung dieser regionalen Stimmrechte anbelangt, sagen die EU-Verträge dazu zwar auch nichts aus. Doch sollte dies gegebenenfalls analog zur Stimmrechtsverteilung unter den Mitgliedstaaten erfolgen, also im Verhältnis der Bevölkerung einer Region zur Bevölkerung ihres Gesamtstaates.

Mit dieser Ausgestaltung des Regionalismus auf EU-Ebene würden die Mitgliedstaaten schon im Vorfeld der Fachministerräte als Clearing-Stelle für regionale Interessen auftreten. Das ist sicherlich eine zusätzliche Aufgabe. Die Schwierigkeiten einer solchen Regelung sollten im Übrigen weniger auf technischer, sondern mehr auf politisch-psychologischer Ebene liegen.

Sie hätte das Potenzial, auf sanftem Wege einerseits den Regionen mehr gesamteuropäische Denkungsart und Verantwortung näherzubringen, andererseits bei den nationalen Vertretungen der Mitgliedstaaten in den EU-Gremien Gewichtsverschiebungen einzuleiten.

Europaweite Broker

Während die Beschlussfassung im Europäischen Rat ungeteilt bei den Zentralregierungen läge und auch bei den Ministerräten in außenpolitisch definierten Interessen – wie der Sicherheitspolitik, dem Schutz der Außengrenzen sowie den staatlichen „Nachtwächterfunktionen“ –, könnte in den Bereichen Kultur, Soziales, Verkehr und auch Binnenmarkt eine (gemäß Artikel 239 maßvolle) Wettbewerbssituation der Zentralregierungen in den Vordergrund rücken, wo sie um regionale Stimmrechte werben. Zentralregierungen würden damit außenpolitisch zu europaweiten Brokern regionaler Interessen werden. Innenpolitisch würden sie den nationalen Gemeinsinn neu hinterfragen und nach Kräften zu fördern haben. Denn der Sinn der Gewährung von mehr regionaler Selbstbestimmung ist heute die Garantie dafür, dass die zentrale Macht mit der regionalen Macht auf Augenhöhe verkehrt – zum Wohle der Bürger! Neues Motto also: Si vis pacem, para regionem.

DER AUTOR

Botschafter i. R. Michael Breisky (geboren 1940) studierte Rechtswissenschaften. 1967 trat er in den Dienst des Außenamtes ein und leitete eine Zeit lang die Südtirol-Abteilung und die Amerika-Abteilung. Er ist Verfasser mehrerer Bücher und Artikel zu Fragen des Regionalismus, des Minderheitenschutzes und der Globalisierung.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 16.11.2017)

Ergänzende Bemerkungen des Autors: Die Möglichkeit der Übertragung von Stimmrechten auf regionaler Basis hätte Auswirkungen, die über die Beruhigung von Problemen wie der Katalonie-Krise weit hinausgehen. Ja, die Souveränität der EU-Mitgliedsstaaten bliebe unangetastet, und ohne Zustimmung ihrer Zentralregierung könnten Regionen nicht andere Mitgliedsstaaten um Vertretung ersuchen. Aber Zentralregierungen müssten nun ständig auf die besonderen Interessen ihrer Regionen Rücksicht nehmen; tun sie das nicht oder verweigern sie grundlos die Übertragung von Stimmrechten, würden sie sowohl im eigenen Land wie auch im Ausland den Eindruck der Demokratie-Verweigerung erwecken, mit allen negativen Folgen für ihr politisches Ansehen in Europa – und die eigene Wirtschaft. Es wäre daher sehr schwierig einer Region zu verbieten, jenseits der Staatsgrenzen Vertretungs-Hilfe zu suchen. Umgekehrt werden auch Mitgliedsstaaten wenig Lust haben, durch Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Mitglieds ihre guten Beziehungen zu diesem zu gefährden. Wenn es daher auch nur wenige Fälle tatsächlicher Stimmrechts-Übertragungen geben mag, ihre Auswirkungen auf die gesamte EU können kaum überschätzt werden: Abgesehen von der Förderung von Subsidiarität innerhalb der Mitgliedsstaaten wäre es für Mitgliedsstaaten nun schwieriger, ohne Rücksicht auf die Interessen aller ihrer Regionen traditionelles Power-play zu betreiben; die sachliche Grundlage für Entscheidungen der Ministerräte würde in dem Maße breiter werden, als Regionen sich durch ihre Zentralregierungen – und in der Folge durch die gesamte EU – weniger an den Rand gespielt sehen. Insgesamt bliebe zwar die überragende Stellung der Räte unter den EU-Institutionen unangefochten, gleichzeitig würde aber eine neue Aussicht auf Subsidiarität zum Abbau des so oft behaupteten demokratischen Defizits der EU beitragen. All das würde ohne einer – kaum erreichbaren – Änderung der EU-Verträge durch einen Prozess ausgelöst werden, den schon zwei Mitgliedstaaten in Gang setzen können.

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2017: Vision für weniger Effizienz, aber mehr Resilienz

Vision für weniger Effizienz, aber mehr Residenz

Artikel im Rotary Magazin, Hamburg, August 2017:

Brexit, Trumps Wahlsieg und der populistische Zulauf deuten auf ein wachsendes Anti-Establishment-Gefühl, verbunden mit Abstiegs- und Überfrendungsängsten – alles Zeichen eines tiefen Umbruchs. Hatte Kurt Tucholsky recht, als er meinte: „das Volk denkt oft falsch, fühlt aber immer richtig“?

Zumindest der zweite Teil dieses Satzes stimmt; denn mit Effizienz und Resilienz gibt es ein Begriffs-Paar, das aus dem Gleichgewicht gefallen ist und die Entstehung dieses Gefühls gut erklären kann: Effizienz – also das Streben nach einem „immer besseren“ Verhältnis zwischen Input und Output – verbindet Materialismus mit linearem Vernunft-Denken und hat sich zum umfassenden Leitprinzip der westlichen Gesellschaft entwickelt; Resilienz hingegen drückt nachhaltig robuste Widerstandskraft aus und erfordert vor allem ganzheitliches Denken. Kurz: ohne Effizienz werden wir verhungern, ohne Resilienz fahren wir bald an die Wand. Der Nachhaltigkeit ist am besten gedient (so der Resilienz-Forscher Bernard Litaer), wenn der Aufwand für Resilienz größer ist als der für Effizienz – was heute eindeutig nicht der Fall ist. (mehr …)

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2014 Gastkommentar: Sparen bei den Botschafts-Residenzen?

Sparen bei den Residenzen?

Gastkommentar von Michael Breisky in Die Presse, Wien, 6.5.2014

Die Budgetnot zieht den Blick des Außenministers auf die Botschaftersitze im Ausland. Wie groß ist dort das Sparpotenzial?

Peter Ustinov sah Botschafter als Oberkellner, die bei Tisch dabeisitzen dürfen. Ein gutes Bonmot, doch verschweigt es, dass auch die Frau des Botschafters bei Tisch sitzt, und zwar direkt neben Ministern und sonstigen Potentaten – eine Gesprächsmöglichkeit, für die nicht nur Lobbyisten sehr viel Bares zahlen würden.

Damit ist schon das wichtigste zur Kontaktpflege des Diplomaten gesagt: Er muss versuchen, sich in den Eliten des Gaststaates rasch zu integrieren. Nur so kann er die lokalen Interessen voll verstehen, Entscheidungsträgern möglichst nahekommen und sein eigenes Vorbringen optimal absichern.

Die „Repräsentation“ ist bisher so erfolgt, dass der Diplomat unter vorläufiger Zurückstellung fachlicher Interessen seine allgemein-menschlichen Qualitäten in den Vordergrund stellt – also auch seine private Lebensführung einschließlich seines Ehepartners.

Dessen Mitwirkung ist wiederum Voraussetzung, dass auch die Partner der lokalen VIPs sich gern mit Diplomaten abgeben. Das hilft nicht nur der Image-Arbeit, sondern fördert auch umfassendes Wissen über den Gaststaat. Diese holistische Repräsentation setzt allerdings voraus:
•(Ehe-)Partner des Diplomaten für die Fiktion, dass die Kontaktpflege mit den Eliten auch privates Vergnügen bereitet; auch ist der Partner „Stichwortbringer“ für zielorientierte Gespräche;
•großzügig wirkende Residenzen als Plattform für diese Begegnungen; so dürfen sie nicht – wie es leider zu oft geschieht – den recht diskreten Charme von Kassenarztwartezimmern entfalten.

 

Eine Faustregel für Kurz

So war es jedenfalls, bis die Emanzipation der Frau auch die Diplomatie voll erfasst hat. Weil die „Frau Botschafter“ sich nun schon mangels finanzieller Anerkennung zur Nurhausfrau degradiert sah, wurde die eigene berufliche Karriere immer wichtiger, die typische Diplomatenehe degenerierte zur Wochenendehe.

Auf der Strecke blieb die holistische Repräsentation: ohne den Partner des Diplomaten keine VIP-Partner. Statt gesellschaftlich attraktiver Diplomatenessen werden nun Business Luncheons im kleinen Kreis bevorzugt – und dafür braucht man keine großen Residenzen. Statt holistischer ist nun die linear zielende Repräsentation mit Experten in, und im Restaurant geht das vielleicht sogar effizienter. Daher ist es nur logisch, dass Außenminister Sebastian Kurz die Konsequenzen zieht und in kleineren Botschaftsresidenzen erhebliches Sparpotenzial sieht.

Allerdings täte er gut daran, bei jedem Posten abzuwägen, ob dort wirklich auf holistische Repräsentation verzichtet werden kann. Er kann sich dabei auf eine Faustregel stützen: Diplomaten in Wochenendehe zieht es auf Posten in Mitteleuropa, weil es da gute Wochenendverbindungen zum Partner in Wien gibt. Gerade dort ist auch das Allgemeinwissen über Österreich am besten entwickelt, das holistische Element daher weniger wichtig.

Genau umgekehrt liegen die Dinge außerhalb Europas: Dort zählt noch das Holistische, und allem Undank der Republik zum Trotz gibt es dort noch Menschen, die die Arbeit einer „Frau Botschafter“ für Österreich noch ernst nehmen. Also wenn schon Residenzen verkleinern, dann in Mitteleuropa!

Michael Breisky (* 1940) studierte Rechtswissenschaften und war von 1967 bis 2005 im diplomatischen Dienst Österreichs tätig.

E-Mails an: debatte@diepresse.co

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2014 Gastkommentar: Von Südtirol in das blutende Syrien

Von Südtirol in das blutende Syrien

Die Option auf radikale Selbstbestimmung als Friedenschance für ein vom Bürgerkrieg schwer heimgesuchtes Land.

Gastkommentar von Michael Breisky in Die Presse, Wien, 27.2.2014

Die allgemeine Ratlosigkeit zu Syrien bringt mich auf ein Thema, zu dem ich in den 1990er-Jahren mit Blick auf Nordirland und Bosnien einiges publiziert habe: die Option auf Selbstbestimmung als Friedenschance. Mein Ausgangspunkt war ein Gedankenexperiment, das ich zur Selbstbestimmungsdebatte in Südtirol entwickelt hatte.

Von der Prozedur her waren die nationalen, kantonalen und dörflichen Volksabstimmungen beispielgebend, die in den 1970er-Jahren zur Entstehung des Schweizer Kantons Jura geführt haben. Mein Szenario sah so aus:

Stufe1: Das mehrheitlich deutschsprachige Südtirol erklärt seine Unabhängigkeit von Italien;

Stufe2: Das mehrheitlich italienischsprachige Bozen sagt sich von Südtirol los und beansprucht für sich einen Status, wie ihn Campione d’Italia im Tessin hat;

Stufe3: Der mehrheitlich deutschsprachige Stadtteil Gries trennt sich von Bozen und erklärt seinen Anschluss an Südtirol;

Stufe4: Ein mehrheitlich italienischsprachiger Häuserblock in Gries handelt analog und schließt sich wieder Bozen und Italien an.

Natürlich, Bürokraten in Brüssel und anderswo hätten schon Stufe1 für blanken Irrsinn gehalten. Ein Altfaschist in Gries würde aber auch Stufe4 für richtig halten, wenn einmal Stufe3 realisiert sein sollte. Die Nutzanwendung dieses Szenarios ergibt sich aus Thesen, die ich aus konkreten Erfahrungen mit Minderheitenfragen ableiten konnte.

 

Emotionale, rationale Ebenen

These 1: Jede Volksgruppe, die in ihrem Siedlungsgebiet die Mehrheit bildet, strebt zur Sicherung ihrer Identität eine möglichst weitgehende Selbstbestimmung an; es ist das ein Prozess auf der emotionalen Ebene, der seinen Höhepunkt erst mit Etablierung eines eigenen Staates oder der Veränderung von Staatsgrenzen erreicht.

These 2: Der entgegengesetzte Wunsch nach überethnischer Integration spielt sich hingegen primär auf der rationalen Ebene ab. Er kann daher nach allen Erkenntnissen der Psychologie nur realisiert werden, wenn die Blockierungen auf der emotionalen Ebene erfolgreich sublimiert worden sind.

 

Kunststaat Syrien

These 3 kann heute in Syrien nicht greifen: Weil die Sublimierung nur nach längerer Ruhe möglich ist, sollte zunächst von kultureller zu legislativer Autonomie und erst dann zu voller Souveränität geschritten werden; dabei sollte der Schritt zur nächsten Stufe jedoch nur erlaubt sein, wenn der Zentralstaat Gelegenheit gehabt hat, die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Vorteile eines weiteren Verbleibs im bisherigen Integrationszustand unter Beweis zu stellen.

In Syrien – einem auf osmanischen Trümmern dekretierten Kunststaat – ist der nationale Konsens heute total vernichtet. Was immer sich an staatlichem Gemeinschaftsgefühl wieder entwickelt, muss daher „von unten“ ganz neu aufgebaut werden.

Kurz, Syrien muss sich in einem bei null beginnenden Integrationsprozess neu erfinden. Die Wirtschaft wäre dabei wohl der Motor, kann aber auch nur auf der Basis gesicherter Identitäten wirksam werden.

Der politische Vorteil dieses Lösungsansatzes liegt schon darin, dass alle Schutzmächte der Bürgerkriegsparteien ihr Gesicht und ihre Interessen wahren könnten: neben den Nachbarn also Russland und der Iran, die Saudis sowie Europa und die USA. Und wer weiß, womöglich gelingt es der Regierung in Damaskus mit ihm sogar, innerhalb der syrischen Grenzen so viel Konsens zu schaffen, dass dieses Friedensmodell auf die gesamte Region ausstrahlt.

Botschafter i.R. Michael Breisky hat als österreichischer Berufsdiplomat u.a. an der Beilegung des Südtirol-Konflikts mitgewirkt und ist heute freier Publizist zur Philosophie Leopold Kohrs.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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2011: Die Vernunft unterwegs von Aufklärung zu Abklärung

Die Vernunft unterwegs von Aufklärung zu Abklärung

oder (fast) alle Wege führen zu Leopold Kohr

Vortrag zu 10 Jahre Institut für Logotherapie in Salzburg, 7.Oktober 2011

Zitate:

Der große Evolutionsforscher Rupert Riedl schreibt in seinem Buch „Evolution und Erkenntnis“ über seine Diskussion mit Marion Gräfin Dönhoff 1979 in Rom: „In einer zweiten Aufklärung wird nicht mehr gegen die Inhumanität von Kirche und Aristokratie angetreten, sondern gegen jene von Ideologie und Kapital; und dann soll ..nicht die Unbegrenztheit des Machbaren den Menschen befreien, sondern die Einsicht in die Grenzen seines Vermögens.“„Das, sagte Gräfin Dönhoff, ist aber eigentlich eine Art der Abklärung!“ So ist es! (mehr …)

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2011 Artikel: Leopold Kohr und die Grenzen der Komplexität

MANAGERismus – Denkzettel Nr. 16

https://www.managerismus.com/themen/groesse-und-komplexitaet/denkzettel-nr-16

Hier die etwas überarbeitete Version eines Essays, das zuvor unter dem Titel „Klein ist wundervoll“ in der Februar-Ausgabe 2011 des ROTARY-Magazins erschienen ist.

 

Wer Finanzkrisen, Wutbürger und Fukushima als Symptom einer tiefen Systemkrise deutet und nicht an ein „Too Big To Fail“ glauben kann, der wird sich gerne an Leopold Kohr erinnern. Tatsächlich hat der 1909 im Salzburgischen geborene Philosoph und Wirtschaftsprofessor, der 1983 für die Begründung der Small is beautiful-Bewegung den Alternativen Nobelpreis erhielt, ein Weltbild entwickelt, das auch im 21. Jahrhundert volle Geltung beanspruchen kann.

Drei Grundwahrheiten

Stets glasklar und mit fröhlichem Humor argumentierend, lassen sich die Thesen dieses Vorkämpfers für das „Menschliche Maß“ in drei einfachen Wahrheiten zusammenfassen:

  1. 1.Jeder freie Mensch ist jederzeit für Überraschungen gut.

  2. 2.Wenn etwas größer wird, wird es gleichzeitig vielfach komplizierter.

  3. 3.Wenn etwas zu kompliziert geworden ist, werden die Überraschungen böse sein.

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2011: Mit regionalen Parallelwährungen aus der Eurokrise

Gastkommentar von Michael Breisky in Die Presse, Wien, 17.9.2011:

 

Für die armen Länder an Europas südlicher Peripherie böten moderne Versionen des bargeldlosen Warenaustauschs eine Lösung.

Die Finanzmärkte können offenbar nicht glauben, dass die Serie von Rettungspaketen der EU den Euro stabilisieren kann – zu hoch sind die Schulden der armen Länder an Europas Peripherie, zu hoch ist der Rückstand ihrer Volkswirtschaften im Vergleich zum dynamischen Zentrum um Deutschland.

Zwar dämmert es Europa nun, dass die arme Peripherie ohne solides Wirtschaftswachstum ihre Schulden nicht bedienen wird. Es kann aber gar nicht genug Finanzhilfen geben, um das benötigte Wachstum auszulösen; und differenzierende Maßnahmen wie Schutzzölle, Quoten oder gar Abwertungen lässt das Korsett der Wirtschafts- und Währungsunion nicht zu.

Der politische Philosoph Leopold Kohr hat das Wesen dieser Problematik schon früh erkannt. In seinem Buch „Development without Aid“, für das er 1983 den alternativen Nobelpreises erhielt, warnte er die jungen, frisch dekolonisierten Nationen davor, sich zu früh der internationalen Arbeitsteilung und dem Welthandel zu öffnen: Sie wären als periphere Volkswirtschaften gegen die Gravitation der starken Industriestaaten machtlos und würden ausgesaugt werden. (mehr …)

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2011: Österreich hat die Wahl: Weiterwursteln oder eine Ochsentour

Gastkommentar von MICHAEL BREISKY (Die Presse, Wien, 31.5.2011)

Die Bundesländer ins Museum stellen, abschaffen oder auf ihre Selbstentleibung warten? Sie werden das zu verhindern wissen. AUS DEM ARCHI

In Österreich will man die Bundesländer ins Museum stellen, weil sie geradezu unfassbar teuer administrieren. Sie sind ja für vieles zuständig – aber nicht verantwortlich. So dürfen sie etwa bei Schulen und Spitälern mitregieren, müssen aber für die Kosten gegenüber ihren Landesbürgern nur höchst indirekt geradestehen.

Der Vorteil von Subsidiarität, kleinen Einheiten und einem gesunden Föderalismus liegt in der Kürze und Überschaubarkeit der „Rückkoppelungsschleife“ zwischen Regierung und steuerzahlenden Wählern. Wenn mehr Wähler in der Schleife stehen oder mehrere Institutionen auf Kosten anderer mitregieren, werden diese Schleifen naturgemäß länger, und die Mehrkosten explodieren.

In Österreich sind diese Schleifen besonders lang, weil wir spezielle Verschachtelungen aufgebaut haben: Zu den miteinander verwobenen Bundes- und Landeskompetenzen kommen noch viele halb und nicht öffentliche Mitredner, also Kammern und Verbände. Auch das fehlende Persönlichkeitswahlrecht trägt zur Verlängerung der Lernschleifen bei: Der Unmut über einen unfähigen Politiker muss schon über weiteste Kreise gehen, bis ein Parteisekretariat mit geänderter Kandidatenliste in die nächste Wahl geht. (mehr …)

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2010 Gastkommentar: Noch mehr zentralistischer Irrsinn?

Noch mehr zentralistischer Irrsinn? Wider das Schlagwort von der föderalen „Kleingeisterei“

Gastkommentar von Michael Breiky in DER STANDARD, Wien, 5.11.2010

 

Eine 2010 veröffentlichte Auswertung von UN-Statistiken über 223 unabhängige Staaten und Territorien zeigt es; die Dezentralisierungsstudie der europäischen Union aus dem Jahr 2009 zeigt es; und die Schweizer beweisen es jeden Tag: Kleine politische Einheiten administrieren billiger als Große und geben ihren Bürgern bei weniger Bürokratie mehr Gesundheit, Einkommen, Wohlbefinden und Bildung. Gleiches gilt für Bundesstaaten gegenüber zentral verwalteten Staaten.

Trotzdem werden in Österreich die Rufe immer lauter, die Länderkompetenzen „zentral“ zu vereinheitlichen und ihren Budgetspielraum zu kürzen. Ziemlich deutlich wird dabei den Ländern bornierte Kleingeistigkeit (Stichwort Fleckerltepppich) oder auch nur fehlende fachliche Ressourcen vorgeworfen.

Zugegeben, der österreichische Föderalismus ist kein Ruhmesblatt – weder aufseiten des Bundes, der schon immer Länderkompetenzen ausgehöhlt hat; noch aufseiten der Länder, die es sich in ihren versteinerten Strukturen allzu gemütlich machen (letzter Sündenfall war ihre geschlossene Ablehnung eigener Steuerhoheit, wie noch von der schwarz-blauen Koalitionsregierung vorgeschlagen).

Mein Einwand gegen zentralistische Arroganz ist ein anderer: Kleingeistigkeit, Dummheit und Korruption sind in großen (bzw. zentral geführten) Gemeinwesen keineswegs seltener anzutreffen als bei den Kleinen, können sich dort aber hinter eleganteren Bezeichnungen wie „Sachzwang“ , „Umwegrentabilität“ oder „legitime Gruppeninteressen“ gut verstecken.

Augenschein und Realität

Die bessere Überschaubarkeit in kleinen Gemeinwesen erklärt auch ihre größere Effizienz: Wie der Begründer der Small-is-beautiful-Bewegung, Leopold Kohr, schon vor über 50 Jahren festgestellt hat, fallen dort die Missstände selbst dem dümmsten Bürger viel früher auf als bei den Untertanen großer Einheiten, können daher auch rascher und billiger korrigiert werden. Originalton Kohr: In einem Kleinstaat würde ein Hitler schon an der Lächerlichkeit seines ersten Auftritts scheitern.

Wer also die größere Unfähigkeit der Bundesländer behauptet, folgt nur einem sehr oberflächlichen Augenschein – und könnte genau so auch darauf beharren, dass die Erde eine Scheibe und Wien ihr Mittelpunkt ist, weil es von den Höhen des Kahlen- und Küniglbergs gesehen genau so ausschaut.

So schlecht unser Föderalismus heute auch sein mag, sein Ersatz durch noch mehr Zentralismus wäre somit blanker Irrsinn – und das gilt ganz besonders, wenn man sich den real existierenden und nicht minder reformresistenten Zentralismus Österreichs vor Augen führt.

Wer das trotzdem fordert, ist lernunwillig oder versteckt seine wahren Interessen.

Bürgernähe und Subsidiarität findet man nicht, wo „Oben“ sagt, was es nicht braucht; sondern wo „Unten“ sagt, was es nicht kann. Und solange nicht Idealmenschen vom Himmel steigen, ist die wahre Alternative zu einem hatscherten Föderalismus ein gesunder Föderalismus und nicht ein hatscherter Zentralismus. (Michael Breisky, DER STANDARD, Printausgabe, 6./7.11.2011)

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MICHAEL BREISKY, Jg.1940, ehemals lange Jahre im diplomatischen Dienst tätig – u. a. als Botschafter in Irland und Generalkonsul in New York -, ist Gründungsmitglied der Leopold-Kohr-Akademie und lebt als freier Publizist in Salzburg; soeben ist von ihm im Passagen-Verlag erschienen: „Groß ist ungeschickt – Leopold Kohr im Zeitalter der Post-Globalisierung“.

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